Armenien 2023 - Transcaucasian Trail
Hintergrund
Der Transcaucasian Trail ist ein Weitwanderweg, der auf insgesamt rund 1540 km den gesamten Kaukasus - groß und klein - durchquert. Ich bin durch Zufall auf den Transcaucasian Trail gestoßen, als ich mich mit meiner Urlaubsplanung 2023 beschäftigte. Georgien stand auf meiner Favoritenliste recht weit oben und ich hatte Lust auf mehrtägiges Trekking, und da der Transcaucasian Trail neben Armenien auch durch Georgien und Azerbaijan führt, bin ich bei der Internetsuche recht schnell auf den Transcaucasian Trail gestoßen. Dass es letztendlich ein Abschnitt in Armenien und nicht Georgien wurde liegt an den Bildern der Geghama Mountains, die ich bei der Recherche sah. Die karge, vulkanisch geprägte Landschaft mit ihrem vielseitigen Farbspektrum von Grün über Braun zu Rot haben mich schnell in den Bann gezogen. So kam es, dass ich mich nach einigem Planen im September 2023 nach Yerevan, der Hauptstadt Armeniens, aufmachte.
Die Durchquerung der Geghama Mountains beginnt in Ltschaschen, einem kleinen Dorf unweit der Stadt Sewan am gleichnamigen See. Ich war vorher im Norden Armeniens, in Dilijan, und nahm von dort ein Yandex (vergleichbar mit Uber) nach Ltschaschen. In Dilijan hatte ich zuvor noch meine Vorräte aufgefüllt, sodass mein Rucksack ein ordentliches Gewicht hatte. Immerhin war ich die nächsten sechs Tage komplett autonom unterwegs und musste alles mit dabeihaben. Ein wenig Kopfzerbrechen besorgte mir bereits im Voraus die Wasserversorgung. Ich hatte gelesen, dass im Frühjahr zwar mit einigen Wasserquellen und -reservoirs zu rechnen ist, die meisten davon im Laufe des Sommers jedoch austrocknen, sodass ich bei der Etappenplanung damit rechnete, erst am Abend des zweiten Tages auf eine zuverlässige Wasserquelle - den Akna Lich - zu stoßen. Ich hatte ca. 4 Liter Wasser dabei, die folglich für die ersten beiden Tage reichen mussten. Das Ziel der ersten Etappe orientierte sich an dieser Gegebenheit und war recht unspezifisch definiert mit "ungefähr die Hälfte zwischen Ltschaschen und dem Akna Lich". Nachdem ich das Dorf hinter mir gelassen und am Rande noch eine Art Tagebau links liegen lies, führte der Weg auf der ersten Etappe kontinuierlich bergauf und verlief durch offenes Grünland. Nach kurzer Zeit schlängelte sich bereits die erste Schlange vor mir über den Weg, ansonsten begegnete ich zunächst keinem anderen Lebewesen. Über Schlangen machte ich mir wenig Sorgen, auch wenn es einige giftige Arten in Armenien gibt. Angst hatte ich eher vor den berüchtigten Schäferhunden, von denen ich im Vorfeld viel gelesen und seit meiner Ankunft in Armenien auch von anderen Reisenden gehört hatte; der ein oder andere kam bei Begegnungen mit ihnen nicht ohne Biss davon - zum Glück jedoch nie etwas ernsthaftes. Meine eigene erste Erfahrung mit diesen Hunden lief glücklicherweise etwas sanfter ab: Nach gut zwei Dritteln der Strecke des ersten Tages machte der Weg eine scharfe rechtskurve und ich stand unverhofft vor einem Steinhaus, das mehr an einen alten Bunker erinnerte. Empfangen wurde ich vom Bellen zweier Hunde, welche jedoch angekettet waren, ein Fakt über den ich angesichts der doch sehr spitzen Zähne und der schieren Größe der beiden Tiere recht froh war. Lediglich ein Welpe war unangeleint und kam auf mich zu gerannt, dieser wollte aber offensichtlich nur mit mir spielen... Ich machte mit lautem Rufen auf mich aufmerksam und nach einiger Zeit kam ein junger Mann aus dem Gebäude und brachte die Hunde zum schweigen. Die Verständigung beschränkte sich mangels meiner russischen oder gar armenischen Sprachkenntnisse auf ein simples "Hallo" und "Danke" und ich zog weiter meines Weges. Gegen Nachmittag begenete ich noch zwei Hirten mit ihrer Schafsherde, ein ältere Mann und ein jüngerer, dessen Balaklava mich zunächst etwas verunsicherte, was jedoch vollkommen unbegründet war. Wir machten ein paar Fotos zusammen, der ältere Mann zeigte mir Stolz seine Schafsherde und schon war ich wieder alleine. Die Hunde, welche die Schafsherde beschützten, waren im übrigen relativ uninteressiert an mir. Kurz darauf wurde es auch schon Zeit, sich einen Schlafplatz zu suchen. Letztendlich baute ich mein Zelt einfach unweit des Weges auf und genoß die Nachmittagssonne mit Blick auf den entfernten Sewan-See.
Nach einer durchaus erholsamen ersten Nacht ging es nach einem gemütlichen Frühstück und dem Zusammenpacken meiner Sachen weiter in Richtung Akna Lich. Der See (Lich bedeutet See) war das Etappenziel für den zweiten Tag und insbesondere als Wasserquelle wichtig - bisher hatte ich tatsächlich noch keinen einzigen Bach, Fluss, See oder auch nur Tümpel gesehen. Der zweite Tag verlief relativ unspektakulär und ohne Begegnungen mit Hirten oder ihren Hunden. Der Weg führte weiterhin stetig bergauf, sodass ich nach rund zehn Kilometern die 3000-Meter-Marke knackte. Die Landschaft war geprägt von karger, grasbewachsener Steppe; immer wieder lief ich an erloschenen Vulkankegeln vorbei. Nach rund 13 km erreichte ich schließlich das Ziel der zweiten Etappe, den Akna Lich, und war zunächst einmal froh zu sehen, dass dieser tatsächlich noch reichlich Wasser führte. Ich baute mein Zelt am Ufer des Sees auf und machte mich gleich darauf ans Wasser filtern - angesichts der kleinen roten Tierchen, die sich im Wasser befanden, ein Muss. Nachdem ich die Wasservorräte wieder aufgefüllt hatte begann ich damit, ein wenig die Umgebung zu erkunden und streckte anschließend die müden Beine in der angenehm warmen Nachmittagssonne aus.
Auch die zweite Nacht verlief ereignislos und erholsam, sodass ich nach einem Frühstück, dem erneuten auffüllen meiner Wasservorräte am See und dem Packen meiner Sachen voller Motivation in den dritten Tag startete. Auch diese Etappe sollte an einem See enden, sodass ich hinsichtlich der Wasserversorgung mittlerweile etwas entspannter war. Die dritte Etappe führte über den höchsten Punkt der Tour, den 3597 m hohen Mount Azhdahak - ebenfalls ein erloschener Vulkan. Der Start war etwas zäh, ich kam nur langsam voran und war bereits nach einer guten Stunde unglaublich müde und hätte gut und gerne ein kleines Nickerchen machen können. Es ging nach wie vor stetig bergauf, außerdem machte mir das Gewicht meines Rucksackes und mittlerweile vermutlich auch ein deutliches Kaloriendefizit zu schaffen. So machte ich mich langsam Stück für Stück weiter auf in Richtung Mt. Azhdahak, den man nach rund 4 km bis 5 km auch schon in der Ferne sehen konnte. Kurz bevor es an den Aufstieg auf den Berg über dessen südliche Flanke geht, durchquert man ein kleines Tal. Dort stieß ich überraschenderweise auf eine Ansammlung von Zelten, welche sich beim Näherkommen nicht als Siedlung von Hirten, sondern als "Hostel" herausstellte. Der Betreuer lud mich auf einen Tee ein und erzählte mir, das "Hostel" gehöre seinem Chef, einem Chinesen, welcher bereits in Yerewan ein Hostel betreibt und nun in den Geghama Mountains den Outdoor-Tourismus etablieren will. Das Camp sollte daher als Ausgangspunkt für verschiedene Touren in der näheren Umgebung - unter anderem den Aufstieg auf den Mount Azhdahak - dienen. Ich persönlich finde so etwas ja immer etwas schade, sagte aber nichts weiter dazu sondern freute mich über den Tee und die Kekse. Nach dieser kurzen Pause ging es dann an den kurzen aber knackigen Aufstieg auf den Kraterrand des Azhdahak. Oben angekommen genoß ich die Aussicht und lief einmal entlang des Kraters. Im Krater selbst gab es auch einen See, ich verzichtete jedoch darauf noch einmal Wasser zu filtern, da ich nicht unnötig Gewicht tragen wollte. Die Landschaft begeisterte mich von dort oben besonders, insbesondere der Farbreichtum tat es mir an. Die Flanken der Vulkane waren von einem dunklen Rot bis nahezu Schwarz, dazu die grün-gelben Steppen und der blaue Himmel. Nach dem Aufstieg auf den Azhdahak ging es nun noch gut drei Kilometer bergab zum Badi Lich, dem Schlafplatz für die dritte Nacht. Dort bekam ich abends, als ich schon im Zelt lag, noch Besuch von einer Herde Schafe, die mit ihren Hirten ungeniert um mein Zelt herumzog. Ich hatte nach wie vor Respekt vor den Schäferhunden, hatte bisher jedoch die Erfahrung gemacht, dass diese, solange die Hirten in der Nähe waren, kein allzu großes Interesse an mir hatten bzw. von den Hirten stets zurückgepfiffen wurden, wenn sie sich mir zu stark näherten.
Tag 4 führte über den Spitakaser, einen weiteren Berg, welcher - wie ich während der Vorbereitung gelesen hatte - ab und an aufgrund von Schnee und Eis nicht passierbar ist. Die Alternative wäre in diesem Fall gewesen, wieder zurück zum Badi Lich zu gehen und anschließend die Geghama Mountains in westlicher Richtung über den Tempel Geghard und das Dorf Goght zu verlassen. Glücklicherweise war von Schnee und Eis auf dem Spitakaser jedoch nichts zu sehen, sodass ich meine Route wie geplant laufen konnte. Der Weg vom Badi Lich bis zum Fuße des Spitakaser verlief über eine weite Hochebene und somit relativ entspannt, der Aufstieg auf und über den Spitakaser war jedoch nochmal recht steil und anstregend. Die Landschaft im Spitakaser-Massiv war sehr einsam und felsig, man findet immer wieder recht viel Obsidian, ein Zeuge der vulkanischen Vergangenheit der Region. Das Wetter wurde unterdessen schlechter, der Himmel zog sich zu und es sah nach Regen aus, sodass ich versuchte möglichst schnell wieder aus dem Massiv heraus zu kommen. Nachdem ich die Überquerung hinter mir hatte sah ich, dass es dort bereits blitzte - also alles gut getimed... Doch auch auf der Hocheben, auf der ich mich befand, wurde der Himmel immer grauer, sodass ich zwar noch ein wenig weiterging, mir dann aber recht bald einen Schlafplatz suchte und mein Zelt aufbaute, da ich keine sonderliche Lust verspürte im Regen zu laufen. Ich lag bereits im Zelt, als ich gegen späten Nachmittag auf einmal hörte wie sich ein motorisiertes Fahrzeug näherte. Etwas verwundert schaute ich aus dem Zelt und sah einen uralten blauen LKW, der sich mir näherte. Der LKW hielt neben mir an und es stiegen zwei Männer aus, die scheinbar genauso verwundert über meine Anwesenheit waren wie ich über die ihre. Sie waren offensichtlich sehr begeistert über mein kleines Zelt, wollten Fotos mit mir machen und zogen anschließend weiter ihres Weges. Ich schaute dem LKW hinterher, wie er sich langsam aber sicher seinen Weg suchte und Richtung Horizont davonrumpelte und fragte mich, was er eigentlich transportierte. Schon ein bisschen schade, dass es ohne Russsischkenntnisse mit der Kommunikation doch recht schwierig ist.
Am fünften Tag ging es zunächst an einer alten Militärstation vorbei, die sehr exponiert auf einem Berg liegt und und daher einige gute Ausblicke in die Ferne erlaubt. Im Anschluss ging es fast kontinuierlich leicht bergab, die Landschaft veränderte sich, es wurde wieder etwas grüner, im Tal sah man ein Flussbett und nach einiger Zeit kam ich auch an zwei Quellen vorbei, die Wasser führten. Als ich eine kleine Kuppe überquert hatte sah ich unmittelbar vor mir ein Zelt, mehrere Pferde und weitere Tiere. Ich änderte sofort meine Richtung um in möglichst großem Abstand an der Behausung vorbeizugehen doch zu spät: Die Hunde hatten mich gesehen und kamen sofort mit lautem Gebell auf mich zugerannt. Es waren fünf an der Zahl, von stattlicher Größe und mit spitzen Zähnen. Ich hatte mir im vorhinein überlegt, wie ich mit einer solchen Situation umgehen sollte und ging daher einfach zügig, aber ohne zu rennen, in eine Richtung weiter, versuchte möglichst ruhig zu bleiben und den Tieren nicht in die Augen zu schauen. Die Hunde kreisten mich ein, begleiteten mich eine ganze Weile und der ein odere andere kam immer wieder auch etwas näher und versuchte auch nach mir zu schnappen. Letztendlich ging jedoch alles gut und nach einer Weile - ich vermute mal, nachdem ich ihr Territorium verlassen hatte - ließen sie von mir ab und drehten um. Ich war froh, dass nichts weiter passiert war und musste erst mal schauen, wie ich wieder auf den richtigen Weg kam. Um die nächsten Siedlungen machte ich einen besonders großen Bogen... Das Ziel des heutigen Tages war eine Mineralquelle, aus der tatsächliche sprudeliges und etwas säuerliches Wasser kam. An der Quelle wird anscheinend öfters gegrillt, so ließen es zumindest die Überreste von Feuerstellen und diversem angebranntem Gemüse vermuten.
Die letzte Etappe war zugleich die längste Etappe der Tour, aufgrund des leicht abfallenden bzw. ebenen Geländes jedoch nicht allzu anstrengend - außerdem war der Rucksack mittlerweile deutlich leichter geworden. Eine ganze Weile lief ich parallel zu einem kleinen Fluss, der - zumindest lässt das sein breites Flussbett vermuten - im Frühjahr deutlich mehr Wasser führen muss. Der Weg war leicht und führte ein zwei Mal durch kleinere Siedlungen mit alten Häusern. In einer dieser Siedlungen wurde ich von den Bewohnern in ihr Haus auf eine Tasse Kaffee eingeladen, wirklich verständigen konnten wir uns jedoch wieder nicht. Trotzdem war es interessant zu sehen, unter welch einfach Bedingungen die Menschen dort leben. Drei Generationen teilten sich einen gemeinsamen Raum, der sowohl zum Wohnen, Schlafen und Kochen diente. Gekocht wurde dabei direkt auf einer großen Gasflasche, auf die ein entsprechender Kocher aufgeschraubt war. Am späten Nachmittag erreichte ich nach einem letzten Aufstieg schließlich die Passstraße, an der die "Orbelian Karawanserei" liegt. Ich schaute mich in dem kleinen, dunklen Gebäude um und versuchte dann eine Mitfahrgelegenheit in den nächsten Ort zu erwischen. Das ganze dauerte relative lange und ich rechnete schon damit, noch eine Nacht hier oben Zelten zu müssen, doch dann erbarmte sich ein iranischer LKW-Fahrer und nahm mich dankenswerterweise mit.